Unter diesem Titel versammelten sich von 22. bis 25. Juli 2024 rund 50 am interreligiösen Dialog Interessierte im südsteirischen Schloss Seggau. Sie folgten der Einladung des seit 2017 bestehenden universitären Dialogformats „Religiöse Diskurse in westlichen Demokratien – Initiative christlich-jüdische Studienwoche im Gespräch mit dem Islam“. Den diesjährigen Teilnehmenden aus den drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam, darunter zahlreiche Studierende aus Graz, Wien, Münster, Tübingen und Berlin, entfaltete sich ein breites Spektrum an kunsthistorischen, bibelwissenschaftlichen, judaistischen, islamwissenschaftlichen und musikalischen Zugängen.
Eröffnet wurde die Studienwoche durch den Grazer Religionswissenschaftler Franz Winter, der für die Organisation hauptverantwortlich zeichnete. Den Auftakt bildete eine Podiumsdiskussion zum Umgang mit Kunst in sakralen Räumen. Unter der Moderation der vormaligen Alttestamentlerin Irmtraud Fischer, Universität Graz, entfalteten Imam Fikret Fazlić, Islamisches Kulturzentrum Graz, Johannes Rauchenberger, Leiter des Kulturzentrums bei den Minoriten, und Willy Weisz, jüdischer Vizepräsident des Christlich-jüdischen Koordinierungsausschusses Wien, aus ihren Traditionen heraus Einblicke in dieses umfassende Themenfeld, wobei auch der Bedeutung des Wortes „sakral“ in den drei Religionen nachgegangen wurde. Im Verlauf der vier Studientage erhellten Expertinnen und Experten aus Deutschland und Österreich in Vorträge und Arbeitsgruppen exemplarisch das Thema „Kunst als Ausdrucksform der Religionen“.
Die Religionspädagogin und Kunsthistorikerin Simone Rieser-Kurzmann, PPH Augustinum, warf theoretische und praktische Schlaglichter auf das Thema christliche Kunst und Religionsunterricht. Parallel dazu gingen Jakob Deibl und Noemi Call, beide Mitarbeitende des Forschungszentrums Religion und Transformation der Universität Wien, unter dem Titel „Materialität und Performativität“ der Frage nach dem Verhältnis von Religion, Kunst und öffentlichem Raum nach. Der nahe Frauenberg mit seiner Wallfahrtskirche, insbesondere deren biblische Fresken, und dem Tempelmuseum eröffneten den Teilnehmenden kunstgeschichtliche und archäologische Einblicke in Jahrhunderte bzw. Jahrtausende alte Kulttraditionen. Unter dem Titel „HaTikva – die Hoffnung“ boten das aus Israel stammende und in Wien lebende Künstlerehepaar Dvora Barzilai, Malerin und Bildhauerin, und Shmuel Barzilai, Oberkantor der israelitischen Kultusgemeinde Wien, in Form einer Ausstellung bzw. von hebräischen Gesängen künstlerische Live-Beiträge.
In das Thema „Visualisierte christliche Geschlechterpolitik“ führte Irmtraud Fischer im Rahmen ihres Vortrages ein, der sich mit der Entwicklung des Judit-Bildes in der christlichen europäischen Malerei vom Mittelalter bis in die Gegenwart auseinandersetzte. Der Kunsthistoriker Markus Ritter, Experte für Islamische Kunstgeschichte an der Universität Wien, problematisierte in seinem Vortrag Debatten der deutschsprachigen Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts in Bezug auf den Begriff „islamische Kunst“. Dem Thema „Lilit in der Kunst“ gingen der Wiener Judaist Gerhard Langer und die Leiterin des Jüdischen Museums Eisenstadt, Esther Heiss, in ihrer Arbeitsgruppe nach. Eine weitere Arbeitsgruppe war dem Thema „Biblische Lebenskunst“ gewidmet und setzte sich unter der Leitung von Edith Petschnigg, PPH Augustinum, mit Psalm 22 aus exegetischer und existenzanalytischer Perspektive auseinander. Die Grazer Fundamentaltheologin Martina Bär ging in ihrem Vortrag mit dem Titel „Bildschöpfungen“ dem „Iconic Turn“ im Christentum und seiner Relevanz für ein gendersensibles Gottesbild nach.
Die Judaistin Katrin Kogmann-Appel, Universität Münster, erhellte in ihrem Beitrag ein weithin wenig bekanntes Thema jüdischer Kunst: die mittelalterliche jüdische Buchkunst der iberischen Halbinsel, die im Austausch mit christlicher und muslimischer Kunsttechnik und Motivik stand. Der Darstellung des Judentums in der christlichen Kunst, insbesondere in Kirchenräumen in Österreich, ging der oberösterreichische Theologe Markus Himmelbauer, Dekanat Schörfling, nach. Nicht zuletzt brachte er Beispiele antijüdischer christlicher Kunst zur Sprache, woran eine halbtägige Exkursion im Rahmen der Studienwoche anknüpfte. Diese führte die Teilnehmenden in die katholische Kirche Allerheiligen bei Wildon, wo im Zuge von Restaurierungsarbeiten ein so genanntes „Lebendes Kreuz“ aus dem Mittelalter zum Vorschein kam. Dieses stellt u. a. dar, wie das als Frauenfigur personifizierte Judentum, die „Synagoga“, durch ein Schwert durchbohrt wird, während die ebenfalls als Frau personifizierte Kirche, die „Ecclesia“, triumphiert. Die Exkursion führte weiter in das Zisterzienserstift Rein, wo in anderer Form ebenfalls eine Synagoga-Ecclesia-Darstellung zu finden ist. Einen Höhepunkt der Exkursion stellte der Besuch in der Stiftsbibliothek dar, die eine Tora-Rolle beherbergt.
Abgerundet wurden die Studienwoche durch zwei Vorträge, die Musik als Medium religiöser Praxis ins Zentrum stellten. Der Grazer Liturgiewissenschaftler Peter Ebenbauer präsentierte unter dem Titel „Singt Gott Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder! (Kol 3,16)“ einen Streifzug durch die christliche europäische Musikgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Die islamische Religionspädagogin Tuba Işık, Humboldt-Universität zu Berlin, beleuchtete am Beispiel des samā, einer Zeremonie des Mevlevi-Ordens, eine musikalisch-religiöse Praxis aus der Tradition des Sufismus.
Die Studienwoche bot den Teilnehmenden neben den Diskussionsmöglichkeiten im Zuge der Programmpunkte auch bei den gemeinsamen Mahlzeiten und Ausflügen Raum für Begegnung und informellen Austausch. Vorbereitet wurde die Dialoginitiative unter der Leitung von Franz Winter durch Irmtraud Fischer, Gerhard Langer, Dina El Omari vom Institut für Islamische Theologie der Universität Münster und Edith Petschnigg. Sie führt die im Jahr 2007 eingestellte „Österreichische Christlich-jüdische Bibelwoche“ aktualisiert fort. Eine Fortsetzung ist für den Juli 2026 geplant.
Download Programm Studienwoche 2024
Bericht, Bilderreigen und Kontakt an der PPH Augustinum:
HS-Prof.in Mag.a Mag.a Dr.in Edith Petschnigg
edith.petschnigg-@-pph-augustinum.at